17.11.2020

Unternehmer Reinhold von Eben-Worlée: „Es geht immer weiter“

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Am frühen Morgen des 15. Mai 2020 erhielt Reinhold von Eben-Worlée, Geschäftsführender Gesellschafter der E.H. Worlée & Co. aus Hamburg-Billbrook, einen Anruf: „Der Produktionsturm Ost in unserem Lauenburger Werk brennt“ Für den Hersteller und Händler von che­mischen, natürlichen und kosmetischen Rohstoffen eine dramatische Nachricht.

,,Zuerst war ich froh, dass niemand zu Schaden gekom­men ist. Das ist immer die erste Frage. Unsere 280 Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter dort waren geschockt und wir mussten psychologische Aufbauarbeit leisten", berich­tet Reinhold von Eben-Worlee. Den Unternehmer verbin­det ein besonderes Verhältnis mit dem Lauenburger Werk, in dem Kunstharze und Additive für Farben und Lacke hergestellt werden. Er hatte es zwischen 1989 und 1993 verantwortlich aufgebaut: ,,Wir hatten Glück im Unglück! Unser Sicherheitskonzept ist aufgegangen, so dass nur der Turm, der nicht mehr zu retten war, abgebrannt ist und keine der Nebenanlagen. Der andere Produktionsbereich im Werk West ist vollständig erhalten geblieben. Aber der Verlust eines Produktionsturmes ist eine starke Einschrän-kung für unseren Chemiesektor." 

Resignieren, zurückstecken oder gar aufgeben – das ist für Reinhold von Eben-Worlée keine Option, auch oder gerade in Corona-Zeiten: „Wenn man in fünfter und bald in sechster Generation unternehmerisch  tätig ist, dann stellt sich die Frage nach dem  Weitermachen nicht originär. Man zieht aus der Vergangenheit das Selbstverständnis, dass es auch in Zukunft einen  Weg geben wird. Aber nicht automatisch, sondern man muss alle Arten von Her-ausforderungen annehmen und auch lösen.“ Das ist das Worlée-Credo. So kann das Werk in Lauenburg voraussichtlich auch innerhalb von drei Jahren wieder aufgebaut sein – besser und die Anforderungen an einen innovativen Klimaschutz berücksichtigend. 

Wer auf eine Firmengeschichte von fast 170 Jahren zurückblicken kann, für den hat das Wort Ausdauer eine ganz eigene Bedeutung. „Für mich ist Ausdauer mehr Kontinuität. Ausdauer muss in kontinuierliche Geschäftsentwicklung umgesetzt werden. Es muss neben dem Durchhaltevermögen auch die allgemeine Fitness trainiert werden, um die Kraft des Unternehmens zu steigern. Ausdauer ist die Grundvoraussetzung für ein Unternehmen in Familienhand“, so von Eben-Worlée. Auf die Corona-Krise bezogen, heißt das für ihn: „In der Zeit war Kondition natürlich wichtig, die Klippen des Shutdowns gut zu umschiffen und das Geschäft am Laufen zu halten. Betriebe, die in der Krise keine Ausdauer und Kraft beweisen, verschwinden oft schnell vom Markt.“

Was die E.H. Worlée & Co. auszeichnet, ist, dass sie routinemäßig den Ernstfall probt: „Beispielsweise im Lebensmittelsektor müssen wir darauf vorbereitet sein, falls zum Beispiel eine Rückrufaktion zusammen mit einem Kunden durchgeführt werden muss. Für den Ernstfall werden solche Szenarien lange simuliert und in Planspielen trainiert.“ Das gilt aber nicht nur für den Lebensmittelsektor, sondern auch in der Chemiesparte, im Falle eines Unfalls: „Das ist eine Frage der Firmenorganisation. Durch unsere Produkte und Rohstoffe hat sich eine intensive Krisenvorsorge- und -bewältigungskultur bei uns etabliert. Das ist Teil unserer unternehmerischen DNA.“

Für den Geschäftsführer ist aber nicht nur das Bewältigen von Krisen existenziell, sondern auch die Lehren, die sich daraus ergeben: „Natürlich beinhalten Krisen auch Chancen. Krisen legen die Schwächen von Unternehmen schonungslos offen. Die positive Folge ist, dass man die Schwächen erkennen und beseitigen kann.“ Aber auch wirtschaftlich ergeben sich neue Möglichkeiten, weil sich das Verbraucherverhalten ändert und so neue Produkte platziert werden können. „Ein Beispiel: Es wurden große Mengen von Handdesinfektionsmitteln benötigt, für die Acrylatverdicker gebraucht werden. Mit dem Verdicker lassen sich die Alkohole verreiben, ohne von der Hand zu fließen. Dafür gibt es weltweit nur wenige Hersteller, die teilweise nicht mehr alles liefern konnten. Also haben wir ein Alternativprodukt entwickelt, das besser ist und sich gut verkauft.“

Auch das Ernährungsverhalten der Kunden hat sich während Corona verändert. ,,Der Bedarf nach gesun­den Lebensmitteln wie Fleischersatzprodukten stieg exponentiell. Deshalb konnten wir Produkte mit Jack­frucht, die eine ähnliche Konsistenz wie Hühnerfleisch hat, deutlich besser absetzen. Wir sind sehr gut im Rennen mit unseren rein pflanzlichen Produkten und auch perspektivisch wird uns das helfen", sagt von Eben-Worlee. 

Es ist offensichtlich: Die E.H. Worlee & Co. ist ein Betrieb mit besonderen Unternehmenswerten. Krisen sind Herausforderungen und Chancen, nicht das Ende, sondern nur eine Etappe. ,,In einer Krise ist es wichtig, die Mannschaft zu beruhigen, dann in die Zukunft zu schauen und die Lehren zu ziehen. Am Anfang dominiert noch das Lernen, dann das Machen. Im Moment sind wir im Modus, dass wir die Zukunft planen und das Weitermachen strukturieren. Es geht immer weiter." 

Reinhold von Eben-Worlee

ist Geschäftsführender Gesellschafter der E.H. Worlee & Co. (GmbH & Co.) KG. Der Diplom-Ingenieur durchlief verschiedene Stationen und Standorte im Familienunter­nehmen, bevor er 1995 Gesellschafter und Geschäftsführer des Gesamtunternehmens wurde.

Ehrenamtlich ist von Eben-Worlee auch im Präsidium des AGA Unternehmensverbandes und als Präsident des Verbandes DIE FAMILIENUNTERNEHMER tätig.

Sein Unternehmen wurde 1851 gegründet und ist Produzent und Händler chemischer und natürlicher Rohstoffe für die Farben-, Lack­- und Druckfarben-Industrie sowie für Kosmetik-, Lebensmittel- und Pharmahersteller. Die Unternehmensgruppe hat rund 700 Mitarbeiter.