14.01.2020

Übersee-Club: Aussichten 2020

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Ein fester Termin in dem Kalender eines jeden Hamburger Unternehmers im Januar ist die traditionsreiche Veranstaltung „Aussichten“ des Übersee-Clubs im Hotel Atlantic. So auch gestern Abend. Die sieben Spezialisten aus sieben Branchen stellten fest: 2019 war ein anspruchsvolles Jahr, 2020 könnte ein besseres werden. Aber nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Zu Beginn begrüßte Übersee-Club-Präsident Michael Behrendt die rund 400 Gäste: „Die Welt ist in Unordnung. Ich werde das Gefühl nicht los, dass einiges nicht zum Besten steht. Überall auf der Welt gibt es Krisenherde, die auch uns in Hamburg beschäftigen.“ Als aktuellstes Beispiel nannte Behrendt den USA-Iran-Konflikt.

Als erster Experte gab AGA-Präsident Dr. Hans Fabian Kruse seine Einschätzungen ab: „Die Wirtschaft ist 2019 in Deutschland um ca. ein halbes Prozent gewachsen, mit starken Sektoren und schwachen Sektoren. Der Außenhandel ist insgesamt recht stabil geblieben. Dabei haben wir erneut über 200 Milliarden Euro mehr exportiert als importiert.  Und ich wiederhole mein Credo: Deutschland braucht den Außenhandel, Deutschland lebt vom Außenhandel. Wir finanzieren dadurch unseren Wohlfahrtsstaat, unser aller Wohlergehen.“

Anschließend erläuterte Dr. Kruse den Strukturwandel, durch den der Außenhandel geht: „Die Reaktion der meisten Staaten darauf muss man wohl als ökonomischen Nationalismus bezeichnen. Und genau deshalb stagnierte 2019 der Welthandel. Da schlagen jetzt die Handelsstreitigkeiten voll durch.“ Für 2020 erwartet der AGA-Präsident für Deutschland ein ähnlich schwaches Wachstum wie im abgelaufenen Jahr und einen stagnierenden Außenhandel.

Mit Blick auf die USA analysierte Dr. Kruse, dass den Demokraten aktuell noch ein starker mehrheitsfähiger Kandidat fehlt: „Dann bekommt die Welt wieder Donald Trump. Warum ist das schlecht für uns? Weil wir von offenen Märkten und freiem Welthandel leben. Weil wir internationale Zusammenarbeit brauchen, um die Herausforderungen der Welt gemeinsam zu lösen. Und dabei ist Donald Trump nicht behilflich.“

Für die Hafenwirtschaft sprach Gunter Bonz, Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg. Er konnte sich dafür rühmen, dass seine Voraussage für 2019 genau eingetroffen ist: Neun Millionen Container und mehr als 140 Millionen Tonnen Gesamtumschlag. Das ist auch seine Schätzung für 2020: „Mit der richtigen Hafenpolitik ist sogar noch mehr drin.“ Aber Bonz ist skeptisch, denn für ihn entscheidet sich das Schicksal des Hafens bei der Bürgerschaftswahl am 23. Februar. „Aus Hafensicht handelt es sich um eine Richtungsentscheidung. Wird der Kurs verlässlicher Standort- und Strukturpolitik mit zusätzlich sehr hohen Anforderungen an den Klimaschutz fortgesetzt, bin ich für 2020 optimistisch.“ Werde der Hafen aber nach der Wahl zum „grünen Versuchslabor“, dann „werden wir im Wettbewerb zurückfallen, Umschlag wird aus Kostengründen in Konkurrenzhäfen abwandern und dem Klima im Übrigen kein Gefallen getan“.

Der Einzelhandel wurde erneut von Andreas Bartmann, Präsident des Einzelhandelsverbands Nord, vertreten. Er konnte von einem eigentlich relativ erfolgreichen Jahr 2019 berichten mit einem Umsatzplus von drei Prozent. Probleme sieht der Einzelhandels-Präsident aber gerade bei den kleinen und mittelgroßen Händlern, die dem wachsenden Preis- und Leistungsdruck durch den Online-Handel oft nicht gewachsen seien. Zudem bemängelte er den ungeordneten und chaotischen Verkehr in der City: „Busse und Taxis machen für Fußgänger das Überqueren der Mönckebergstraße, der Haupteinkaufsstraße der Stadt, zu einem gewagten Unterfangen. Zwischen Baustellen schieben sich Kurierdienste durch und halten auf Radwegen, was Radfahrer zum Ausweichen auf die Fahrbahn zwingt.“ Dazu müsse jetzt eine zentrale Stelle für alle Belange der Innenstadt eingerichtet werden.

Neu in der Expertenrunde war Hjalmar Stemmann, Präsident der Handwerkskammer Hamburg. Er unterstrich die Bedeutung des Handwerks für eine erfolgreiche Klimapolitik: „Wir sind die gestaltende Kraft der Klimawende. Ohne Handwerker gibt es keine Klimawende.“ Und genau das sei das Problem: „Wer flächendeckend Heizungsanlagen erneuern und Solartechnik verpflichtend machen will, muss dafür auch eine Fachkräfteoffensive starten.“ Deshalb begrüßte Stemmann auch das am 1. März in Kraft tretende Fachkräfteeinwanderungsgesetz: „Es wird hoffentlich Betrieben dabei helfen, einfacher geeignete Bewerber aus Drittländern als Fachkräfte zu finden und einzustellen.“

Fast philosophisch wurde es dann mit Michael Otremba, der von seiner halbjährigen Weltreise in jungen Jahren berichtete, dem Widerstand seines Vater gegen diesen Plan und der Einsicht seines Papas, dass Reisen bildet und sein Sohn alles richtig gemacht hat. Für den Tourismus konnte Otremba hervorragende Zahlen für Hamburg präsentieren, mit einem Plus von 5 bis 6 Prozent auf mehr als 15 Millionen Übernachtungen. Und es könne sogar noch besser werden, denn „die Eröffnung des neuen Congress Centrums im September 2020 bietet große Chancen für Hamburg, um die internationale Wahrnehmung zu steigern, Geschäftsreisende für Hamburg zu begeistern, die lokale Wertschöpfung zu erhöhen und gleichzeitig einen wertvollen Wissenstransfer für die Region zu leisten.“

Matthias Boxberger, Vorstandsvorsitzender des Industrieverbands Hamburg (IVH) schaute nachdenklich auf das vergangenen Jahr und ebenso in die Zukunft. Denn während sich die Hamburger Industrie 2019 insgesamt schwächer entwickelte als im Jahr davor, geht er für 2020 von einem „geringen Wachstum um ein Prozent“ aus. Die Herausforderungen: Gerade die norddeutsche Wirtschaft sei derzeit mit einem doppelten Strukturwandel konfrontiert – Digitalisierung und Dekarbonisierung. Bereits heute trage die Hamburger Industrie erheblich zur Erreichung der CO2-Einsparziele des Hamburger Klimaplans bei: „Allein die 32 Hamburger Industrie-Unternehmen in den IVH-Energieeffizienz-Netzwerken sparen jedes Jahr 500.000 Tonnen CO2 ein.“

Als letzter durfte Haspa-Chef Dr. Harald Vogelsang in den Ring. Sein Thema: die Niedrigzinsen. „Durch die Niedrigzinsphase hat der Staat nach Berechnungen der Bundesbank insgesamt rund 400 Milliarden Euro gespart, während die Sparer ungefähr die gleiche Summe verloren haben“, so Vogelsang. „So lernen wahrscheinlich zwei Generationen von Menschen, dass Sparen nichts bringt.“ Diese Generationen verließen sich im Alter auf den Staat – „und dadurch kommen die Niedrigzinsen als Riesenbumerang auf künftige Politikergenerationen zurück“. Statt mit einer Finanztransaktionssteuer für noch mehr Steuereinnahmen zu sorgen und dabei „die zarten Pflänzchen aufkeimender Aktienkultur bei Kleinanlegern zum Welken zu bringen“, sollte der Staat nach Auffassung des Haspa-Chefs „Vorsorge und Vermögensbildung fördern – so, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.“
 

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