09.06.2016

Zulässigkeit von offenen Abfindungsprogrammen

Nachrichten | Recht

In herausfordernden wirtschaftlichen Situationen kann der Personalabbau für Unternehmen eine Option sein, um die Entwicklungen wieder in eine gesunde Bahn zu lenken. In solchen Fällen werden teilweise offene Abfindungsprogramme eingesetzt. Diese dürfen nach einer aktuellen Gerichtsentscheidung auch Begrenzungen beinhalten.

Ein Abfindungsprogramm, mit dem eine begrenzte Anzahl von Beschäftigten gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden kann und in dem die Auswahl der Mitarbeiter nach dem zeitlichen Eingang ihrer Rückmeldungen erfolgt, ist zulässig. Dies entschied das Landesarbeitsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 12. April 2016.

Welche Ansprüche bestehen, wenn ein Arbeitnehmer nicht berücksichtigt wurde?

In dem aktuellen Fall verlangte ein vom Personalabbau betroffener Arbeitnehmer den Abschluss eines Aufhebungsvertrags sowie die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 298.777 Euro, weil er bei dem Abfindungsprogramm seines Arbeitgebers nicht berücksichtigt worden war.

Der Kläger war als Gruppenleiter im Bereich IT bei dem beklagten Unternehmen tätig. Der Betrieb wollte 1.600 seiner 9.100 Arbeitsplätze abbauen. Zu diesem Zweck initiierte er in Abstimmung mit dem Konzernbetriebsrat ein offenes Abfindungsprogramm, das definierte, wie viele Stellen in welchen Bereichen abgebaut werden sollten. Die Beschäftigten hatten die Möglichkeit, sich für eine Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung zu melden. Falls sich mehr Interessenten für einen Aufhebungsvertrag meldeten als abzubauende Stellen vorhanden waren, sollte die Auswahl der Mitarbeiter nach dem zeitlichen Eingang ihrer Meldungen erfolgen.

Das Abbaukontingent für den Bereich IT sah sieben Stellen vor. Aufgrund von technischen Bedenken wurden die Meldungen auf einer Webseite entgegengenommen. Der Kläger erhielt eine Anmeldebestätigung mit der Eingangszeit 13:07:53:560 Uhr. Das Unternehmen teilte ihm mit, dass er nicht berücksichtigt werden könne, weil seine Meldung zu einer Zeit eingetroffen sei, zu der es keine freien Plätze mehr im zur Verfügung stehenden Kontingent gegeben habe (letzte Vergabe für 13:01:09:603 Uhr).

Kein Verschulden des Unternehmens

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts stehe dem Kläger weder ein Anspruch auf den geforderten Aufhebungsvertrag noch auf die Zahlung der genannten Abfindung zu. Gegen das Abfindungsprogramm der Beklagten bestünden keine rechtlichen Bedenken. Arbeitgeber dürften Beschäftigten das Ausscheiden gegen Abfindung anbieten, die Anzahl der ausscheidenden Mitarbeiter begrenzen und die Auswahl nach dem zeitlichen Eingang der Meldungen treffen. Dies gelte selbst dann, wenn durch das Abstellen auf Millisekunden nach menschlichem Ermessen die exakte Eingangszeit nicht bis ins Letzte zu beeinflussen sei.

Da grundsätzlich kein Anspruch auf ein Ausscheiden gegen eine Abfindung bestehe, sei der Arbeitgeber – abgesehen von unzulässigen Diskriminierungen, die in diesem Fall nicht gegeben seien – frei, wie er die Auswahl gestalte. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege im aktuellen Fall ebenfalls nicht vor. Das Unternehmen habe gegenüber dem Kläger den früheren Eingang seiner Meldung nicht treuwidrig vereitelt. Denn das Softwareprogramm sei ausgiebig auf Funktionalität und Zuverlässigkeit getestet worden. Ein Belastungstest für jede denkbare Situation sei laut Gericht nicht erforderlich gewesen. Das Unternehmen habe den Kläger nicht willkürlich schlechter gestellt, denn es sei nicht ersichtlich, dass aufgrund eines technischen Fehlers bestimmten Mitarbeitern ein schnellerer Zugriff auf die Webseite gewährt worden sei. Da kein Verschulden des beklagten Unternehmens bestehe, könne der Kläger auch keinen Schadensersatzanspruch geltend machen. Darüber hinaus könne der Kläger auch nicht nachweisen, dass er bei fehlerfrei funktionierender Webseite zu den Abfindungsberechtigten gehört hätte.

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Volker Hepke
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