04.12.2023

Aurubis-Chef Roland Harings über Nachhaltigkeit in der Metall-Industrie und die Rolle der Politik

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Roland Harings ist CEO von Aurubis, weltweit führender Kupferrecycler und Anbieter von Nichteisenmetallen. Das börsennotierte Unternehmen mit Stammsitz in Hamburg legt einen starken Fokus auf Recycling und Kreislaufwirtschaft. Wir haben mit Harings über Nachhaltigkeit in der Metall-Industrie und die Rolle der Politik gesprochen.

Aurubis ist weltweit bekannt als Multi-Metall- Anbieter. Was genau macht Ihr Unternehmen?

Roland Harings: Aurubis produziert die Metalle für die nachhaltige und innovative Welt von heute, morgen und übermorgen. Unsere Produkte stecken in Windturbinen, Solarpanelen, E-Batterien, Ladestationen, Datenleitungen, Stromnetzen. Hamburg ist unser Stammsitz, auf der Veddel steht unser größtes Werk. Hier arbeiten mehr als 2.600 Kolleginnen und Kollegen. Aurubis‘ Kernkompetenz liegt im Verarbeiten von Rohstoffen zu wichtigen Industriemetallen. Aktuell sind es 20. Unsere Rohstoffe beziehen wir über ein weltweit diversifiziertes Portfolio aus Minen-Lieferanten, die Metallkonzentrate produzieren, und von Recyclingmaterial-Lieferanten. Das Hauptprodukt von Aurubis ist Kupfer. In unserem Netzwerk aus Hütten und Werken in Europa und den USA produzieren insgesamt rund 7.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr als eine Million Tonnen Kupferkathoden und daraus Kupferprodukte, außerdem Metalle wie Nickel, Zinn, Zink und Edelmetalle sowie Schwefelsäure.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen? 

Harings: Nachhaltigkeit ist für uns zentraler Bestandteil unseres Handelns und Wirtschaftens – und daher ein integrales Element unserer Konzernstrategie. Dazu gehören drei Aspekte: Zum einen ein verantwortungsvoller Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Zulieferern, Kunden und Nachbarn. Zum anderen der sorgsame Umgang mit der Umwelt und den begrenzten natürlichen Ressourcen. Als Recyclingspezialist sind wir uns dessen ohnehin sehr bewusst, zugleich arbeiten wir konsequent daran, deutlich vor 2050 klimaneutral zu produzieren. Und der dritte Aspekt: mit verantwortungsvollen Geschäftspraktiken und solidem Wachstum den langfristigen unternehmerischen Erfolg sichern.

Was bedeutet Nachhaltigkeit bei Aurubis konkret?

Harings: Nachhaltigkeit zieht sich durch das gesamte Unternehmen. Die Metalle von Aurubis spielen eine Schlüsselrolle für die grüne, klimaneutrale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Ohne Metalle gibt es keine Energie- und Mobilitätswende, keine Digitalisierung, keine Innovationen. Kupfer ist das „Metall der Elektrifizierung“ und Kern aller Green-Energy-Technologien. Die Produkte für eine nachhaltige Welt entstehen bei uns auf immer nachhaltigere Weise. Wir investieren fortlaufend in Projekte und Technologien zum Dekarbonisieren der Produktion. Das Engagement zahlt sich aus: Der CO2-Fußabdruck unserer Kupferkathoden liegt bereits mehr als 50 Prozent unter dem weltweiten Durchschnitt, bei Zink sind es sogar 75 Prozent. Auch unsere Emissionen sind in den vergangenen zehn Jahren spürbar gesunken. Bis 2030 werden wir unsere Auswirkungen auf die Umwelt noch weiter verringern.

Wie weit ist Aurubis beim Thema grüne Energie?

Harings: Unser Werk im belgischen Olen läuft zu 90 Prozent mit Offshore-Windenergie, Aurubis Bulgarien hat den größten Solarpark in ganz Südosteuropa, der Standort in Spanien bezieht 100 Prozent Grünstrom. In Deutschland liegt unser Grünstromanteil bei 30 Prozent, das Ziel für 2030 sind 100 Prozent. Dabei sind wir stets offen für neue Energieträger. 2021 hat Aurubis als erstes Unternehmen erfolgreich Wasserstoff im industriellen Maßstab eingesetzt, auch den Einsatz von Ammoniak testen wir. Noch gibt es jedoch viel zu wenig grünen Wasserstoff und grünes Ammoniak, um den enormen Bedarf der Industrie zu wettbewerbsfähigen Preisen zu decken. Doch wir werden bereit sein, wenn es so weit ist.

Sie wollen langfristig das nachhaltigste integrierte Hüttennetzwerk der Welt werden: Welche Innovationen treiben Sie konkret voran, um das zu erreichen?

Harings: Recycling und Kreislaufwirtschaft spielen dabei die zentrale Rolle. Aurubis verarbeitet ein breites Spektrum an Nichteisenmetallen, ob ausgedientes Kupferkabel, die Rückstände von Müllverbrennungsanlagen, Elektronikschrotte oder abgebaute Windräder. Die Pilotanlage für eines unserer Zukunftsprojekte steht in Hamburg: Hier gewinnen wir aus alten E-Auto-Batterien wertvolle Rohstoffe für neue Batterien, darunter Lithium, Kobalt und Mangan. Unsere Experten haben dafür eine eigene Technologie entwickelt. Mit beachtlichem Ergebnis: Mehr als 95 Prozent der Batteriemetalle können wir wiedergewinnen und in den Produktionskreislauf zurückführen.

Warum der starke Fokus auf Recycling und Kreislaufwirtschaft?

Harings: Ressourcen immer wieder verwenden, statt sie nur zu konsumieren und zu deponieren, das ist für uns die Antwort auf den steigenden Rohstoffbedarf der Gesellschaft. Gleichzeitig ist es ein Weg zu weniger Abhängigkeit Deutschlands und Europas. Metalle sind dabei ideal: Sie lassen sich immer wieder recyceln, ohne dabei an Qualität zu verlieren. Bereits heute liegt der Recyclinganteil unserer Kupferkathoden bei knapp 45 Prozent. Das Ziel für 2030 sind 50 Prozent. Dazu kommt: Recycling ist ein oft unterschätzter, aber sehr wesentlicher Faktor beim Dekarbonisieren. Das Wiedergewinnen von Kupfer aus Altmaterial etwa braucht 80 bis 85 Prozent weniger Energie als die Primärproduktion.

Schon heute verarbeitet Aurubis mehr als eine Million Tonnen Recyclingmaterialien.

Harings: Genau. Bald wird es sogar noch mehr sein. In Belgien investieren wir in neue Recyclinganlagen, in den USA bauen wir aktuell für rund 640 Millionen Euro das erste Multimetall-Recyclingwerk des Landes auf. In Hamburg investieren wir 190 Millionen Euro in neue Technik zum noch besseren Aufbereiten und Verwerten von Recyclingmaterialien. Das Besondere dabei: Wir können damit sämtliche Materialien im eigenen Hüttenverbund verwerten. Recycling plus Zero-Waste-Prinzip also.

Bei einem Multi-Metall-Anbieter wie Aurubis denkt man möglicherweise nicht direkt an Klimaschutz. Stört Sie das?

Harings: Die zentrale Rolle von Aurubis beim Klimaschutz noch stärker zu kommunizieren, das begeistert und motiviert mich. Allein um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen und die Energiewende voll umzusetzen, braucht es in den kommenden zwei Jahrzehnten die vielfache Menge an Metallen als die, die wir heute verwenden. Der Bedarf an Kupfer steigt weltweit um mehr als 40 Prozent, für seltene Metalle wie Lithium sind es sogar bis zu 90 Prozent. Diese Rohstoffe produzieren wir, umweltschonend im Herzen von Europa, unter den höchsten Klimaschutz-Regularien weltweit.

Aurubis gehört zu den energieintensiven Industrien, da die einzelnen Fertigungsschritte bei Metallen viel Energie erfordern. Vor welche Herausforderungen stellt Sie das?

Harings: Die Produktion von Kupfer ist in der Tat sehr energieintensiv. Wir haben unsere Prozesse schon frühzeitig zu einem hohen Maße elektrifiziert. Gleichzeitig diversifizieren wir unsere Energieversorgung so gut wie möglich. Diese Faktoren helfen uns, fossile Energien einzusparen und gleichzeitig flexibel im Einsatz der Energieträger zu bleiben. Allerdings ist auch die Politik gefragt: Die Versorgungssicherheit mit Rohstoffen und die Verfügbarkeit von bezahlbarer Energie muss hoch auf der politischen Agenda stehen. Als energieintensives Unternehmen im globalen Markt brauchen wir in Deutschland dauerhaft international wettbewerbsfähige Energiepreise. Metalle wie Kupfer werden zu Weltmarktpreisen gehandelt, unsere Wettbewerber arbeiten mit deutlich niedrigeren Energiekosten. Unsere künftige Investitionsstrategie für den Standort Deutschland hängt daher auch stark von der Energiepolitik hierzulande ab. 

Welche Rolle spielt Regulierung durch die Politik bei Aurubis, speziell im Bereich Nachhaltigkeit?

Harings: Mit unserem Stammsitz in Deutschland agieren wir in einem der strengsten regulatorischen Umfelder der Welt. Das gilt für alle Bereiche der Nachhaltigkeit, egal, ob Umweltauflagen, Schutz und Rechte unserer Mitarbeiter oder die Vorgaben durch das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das bald ein europäisches Pendant bekommt. Doch damit Unternehmen innovativ agieren können, braucht es Anreize und bessere Rahmenbedingungen statt Verbote.

Würde das Thema Klimaschutz auch ohne das Eingreifen der Politik energisch genug vorangetrieben werden, schließlich erfordert es von Unternehmen ja doch großes Umdenken und Umlenken?

Harings: Es hängt vom Selbstverständnis eines Unternehmens ab. Nachhaltigkeitsauflagen der Politik bedeuten für Aurubis kein radikales Neuorientieren oder Umdenken. Für uns sind Arbeitsweisen im Einklang mit Umweltaspekten und Menschenrechten die Basis jeglichen wirtschaftlichen Handelns. Nachhaltigkeit ist Teil unserer DNA. Bester Beweis dafür: unser strategischer Fokus auf Recycling und Kreislaufwirtschaft. Denn das lineare Modell des „take-make-dispose“ funktioniert nicht mehr. Wir müssen zu einem zirkulären System von Produktion und Verbrauch, bei dem Güter und Rohstoffe so lange wie möglich im Kreislauf gehalten werden.

Wie ist die Zusammenarbeit von Aurubis mit der Politik in Hamburg? Was ist vielleicht anders als auf Bundesebene?

Harings: Der Industrie- und Wirtschaftsstandort Deutschland steht unter Druck wie nie zuvor. Die Bundesregierung muss jetzt die richtigen Antworten liefern. Bisher sehen wir davon zu wenig. Wir brauchen dringend bessere Standortfaktoren: schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, weniger Bürokratie, eine digitale Infrastruktur – und niedrigere Steuern, vor allem auf Energie. In Hamburg läuft die Zusammenarbeit vertrauensvoll und partnerschaftlich, als Hamburger Traditionsunternehmen mit fast 160-jähriger Geschichte in der Hansestadt sind wir hier fest verankert. Die Stadt wiederum weiß um die zentrale Rolle der lokalen Unternehmen und Arbeitgeber.

Wie erleben Sie den Standort Hamburg?

Harings: Hamburg hat sich ambitionierte und richtige Klimaziele gesetzt, Aurubis ist dabei an Bord. Wir arbeiten stets daran, unseren Umweltfußabdruck am Standort weiter zu verringern, wir investieren in neue Technik zum Schutz von Luft und Wasser. Und wir setzen auf Symbiose. Bestes Beispiel: Unsere Industriewärmekooperation mit der Stadt. Seit 2018 liefert unsere Abwärme die Heizenergie für Gebäude in der HafenCity und in Rothenburgsort, ab 2024/25 profitieren in Summe bis zu 28.000 Haushalte von Abwärme aus dem Aurubis-Werk. Es ist das größte Projekt dieser Art in ganz Deutschland. Aurubis trägt damit in hohem Maße direkt zu den CO2-Reduktionszielen der Stadt bei. Nun freuen wir uns auf weitere Kooperationen für Nachhaltigkeit und Klimaneutralität in Hamburg. Die Ziele sind im „Hamburger Masterplan Industrie“ festgesteckt, jetzt sind alle Partner gefragt, an einem Strang und in eine Richtung zu ziehen. Dabei brauchen wir vor allem eins: mehr Mut und Willen, altbekannte Pfade zu verlassen.

Welche Ziele haben Sie sich und Aurubis für die Zukunft gesetzt?

Harings: Die Nachfrage nach Metallen wird weiter steigen – und Aurubis wird sie bedienen. Wir werden weiterwachsen, unser Kerngeschäft ausbauen, unsere Schlüsselrolle bei der Rohstoffversorgung weiter stärken. Das alles auf Basis unserer hohen Ansprüche an Nachhaltigkeit. Aurubis wird die einzigartige Recyclingexpertise nutzen und sich zum Treiber der Circular Economy entwickeln. Alles, was wir unternehmen und planen, zielt darauf ab, unsere Position als nachhaltigstes und effizientestes Hüttennetzwerk auszubauen. Die Reise ist spannend, und das Ziel steht für mich fest: Wir wollen Vorreiter bleiben.

Das Interview mit Roland Harings fand am 2. Juni 2023 statt.

 

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