21.01.2021

Corona-Beschlüsse: Was sind eigentlich „medizinische Masken“?

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Am 19. Februar 2021 haben die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und -chefs der Länder beschlossen, den Lockdown in Deutschland bis 14. Februar 2021 zu verlängern und die Maßnahmen zur Eindämmung nochmals zu verstärken. Zu den neuen Maßnahmen gehört auch eine verschärfte Maskenpflicht, die zum Tragen „medizinischer Masken“ im öffentlichen Personennahverkehr und in Geschäften verpflichtet. Zu den medizinischen Masken zählen OP-Masken und Masken des Typs KN95/N95 oder FFP2. Dazu hat sich Thomas Vierhaus, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des VTH Verband Technischer Handel e.V, einmal Gedanken gemacht:

Einer der Beschlüsse aus der gestrigen Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder (sog. Corona-Gipfel) lautet:
 
„Das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen hat sich in der Pandemie als besonders wirkungsvolle Maßnahme erwiesen. Gerade vor dem Hintergrund möglicher besonders ansteckender Mutationen weisen Bund und Länder darauf hin, dass medizinische Masken (also sogenannte OP-Masken oder auch Masken der Standards KN95, N95 oder FFP2) eine höhere Schutzwirkung haben als Alltagsmasken, die keiner Normierung in Hinblick auf ihre Wirkung unterliegen. Deshalb wird die Pflicht zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie in Geschäften verbindlich auf eine Pflicht zum Tragen von medizinischen Masken konkretisiert. Generell wird in Situationen, in denen ein engerer oder längerer Kontakt zu anderen Personen, insbesondere in geschlossenen Räumen unvermeidbar ist, die Nutzung medizinischer Masken angeraten.“

Ich persönlich halte den Begriff „medizinische Maske“ für äußerst unglücklich, da niemand in der Fachwelt auf die Idee käme, eine FFP2-Maske als solche zu bezeichnen. Die EN 149 spricht von „Filtrierenden Halbmasken zum Schutz gegen Partikeln“, wohingegen nur die im Gesundheitswesen bekannte EN 14683 von „Medizinischen Gesichtsmasken“ spricht.

Zu allem Überfluss tauchen nun bereits erste Werbeanzeigen auf, welche die Situation nutzen und in denen behauptet wird: „KN95 entspricht FFP2“. Diese Aussage sollte man als Fachhändler allerdings kritisch hinterfragen und dabei zwei Betrachtungsweisen voneinander unterscheiden:

  1. Die technische Betrachtung: Die beide Normen EN 149 (FFP2) und GB2626-2006 (KN95) beschreiben unterschiedliche Filter- bzw. Geräteklassen. Bei der EN 149 werden alle drei Klassen sowohl mit einem ölhaltigen als auch einem wassergetragenen Aerosol getestet. Bei der GB2626-2006 ist das Testmedium ausschließlich ein wassergetragenes NaCl-Aerosol. Die Vorgabe der Euronorm, neben nichtöligen Partikeln auch ölhaltige Partikel zu filtern, werden von der chinesischen GB2626-2006 nicht gefordert. Die Filterleistung der nach Norm GB2626-2006 produzierten Masken ist somit für ölhaltige Aerosole nicht geprüft und damit noch nicht nachgewiesen. Eine Anforderung an die Filterung öliger Partikel (Paraffinnebel) ist für die derzeitig populäre Anwendungsanforderung (SARS-CoV-2) allerdings nicht erkennbar. Die Masken der Prüfnormen FFP2 (EN 149-2001) und KN95 (GB 2626-2006) sind für als Virenschutz gut miteinander vergleichbar, weil das fragliche Aerosol (SARS-CoV-2) nicht ölgebunden ist. Falls jedoch die Gefahr des Vorhandensein von ölhaltigen Dämpfen und Nebel besteht, zum Beispiel bei der Verwendung von Kühlmitteln während der Arbeit mit Werkzeugmaschinen, sind KN95-Masken bis auf weiteres nicht empfehlenswert. Damit kann man die Aussage „KN95 entspricht FFP2“ nur in Bezug auf Nassdampf (Aerosol) gelten lassen.
     
  2. Die juristische Betrachtung: Die EN 149 gehört in Bezug auf die europäische Verordnung (EU) 2016/425 über persönliche Schutzausrüstungen zu den harmonisierten Normen. Das heißt, die Anwendung und Erfüllung dieser Norm bei der Herstellung von partikelfiltrierenden Halbmasken löst die sogenannte Vermutungswirkung aus, sodass alle korrekt gefertigten und geprüften FFP-Masken die Anforderungen der Verordnung (EU) 2016/425 erfüllen. Man bezeichnet das in der Rechtswissenschaft als „Fiktion“. Damit steht aber gleichzeitig fest, dass KN95-Halbmasken nach der chinesischen Norm GB2626-2006 nicht per se den Anforderungen der Verordnung (EU) 2016/425 genügen. Dies müsste erst im konkreten Einzelfall nachgewiesen und festgestellt werden. Damit kann man die Aussage „KN95 entspricht FFP2“ in Bezug auf die Verwendung als persönliche Schutzausrüstung nicht gelten lassen.

Als Fazit kann man festhalten: FFP2-Masken und KN95-Masken sind in Bezug auf ihre Schutzwirkung gegen Viren bzw. Aerosole vergleichbar. Zum Einsatz als persönliche Schutzausrüstungen gegen alle Arten von Partikeln entsprechen aber nur FFP2-Masken den gesetzlichen Anforderungen. KN95-Masken dürfen hierzulande nicht als persönliche Schutzausrüstungen in den Verkehr gebracht werden.

In diesem Zusammenhang sollten wir auch noch einen Blick auf die US-Norm NIOSH-42CFR84 (N95) werfen, weil dieser Standard im Beschluss ebenfalls explizit genannt wird. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) schreibt dazu: „Der Standard N95 entspricht im Wesentlichen den Anforderungen an FFP2-Masken“. Derzeit sind sieben Filterklassen für NIOSH-zugelassene Filtermasken erhältlich. 95 Prozent ist der minimale Filtrationsgrad, der von NIOSH zugelassen wird. Die Bezeichnungen N, R und P beziehen sich auf die Ölbeständigkeit des Filters. Auch N95-Masken dürfen hierzulande nicht als persönliche Schutzausrüstungen in den Verkehr gebracht werden.

Weiterhin taucht aktuell die Frage auf, ob FFP2-Masken mit Ohrschlaufen der EN 149 entsprechen. Wir haben diese Frage an das NRW-Landesinstitut für Arbeitsgestaltung gestellt und folgende Antwort erhalten: „Sofern die FFP2-Masken die Anforderungen von Gesetzen und technischen Normen erfüllen, sind sie zulässig. Dies gilt sowohl für Masken mit einfachen Ohrschlaufen als auch für Masken mit doppelter Kopfbebänderung.“ Das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN) hatte sich zuvor in gleicher Weise geäußert und darauf hingewiesen, dass die EN 149 keine bestimmte Art der Kopfhalterung vorsieht. Die renommierten Hersteller setzen allerdings weiterhin auf die doppelten elastischen Kopfbänder und begründen dies mit dem besseren Dichtsitz der Maske.

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