11.12.2023

ESG: Transformation, Tücken, Taxonomie

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Hitzerekorde, Waldbrände und Artensterben – die Sommer der letzten Jahre haben uns sehr plastisch vor Augen geführt, wie sich unser gewohntes Klima und damit unser Heimatplanet zunehmend verändern. So manifestiert sich der menschengemachte Klimawandel immer deutlicher mit konkreten Auswirkungen auf das Leben von uns allen. Vor diesem Hintergrund ist es nur logisch, dass sich auch die Finanzbranche sehr intensiv mit dem Thema des nachhaltigen Investierens nach den sogenannten ESG-Kriterien beschäftigt.

 

Im Fokus ist dabei nicht die reine Betrachtung der Auswirkungen von Investments auf die Umwelt (E = Environment), sondern vielmehr auch die Einbeziehung sozialer Aspekte (S = Social) sowie die einer ethisch geprägten Unternehmensführung (G = Governance). Die Europäische Union hat eine eigene Taxonomie als Regelrahmen festgelegt, um Geschäftsaktivitäten nach dem Grad ihrer Nachhaltigkeit einzustufen. Ein übergeordnetes Ziel der EU ist dabei, dass Europa als erster Kontinent bis 2050 klimaneutral wirtschaftet. Konkret definiert die Taxonomie sechs Ziele wie etwa die Verhinderung des Klimawandels oder der Wandel hin zu einer Kreislaufwirtschaft, um die Klimaneutralität zu erreichen. Darüber hinaus hat die EU die Berichtspflichten für Unternehmen ausgeweitet, um die Bedeutung der ESG-Kriterien in der Unternehmenssteuerung zu erhöhen.

Auch wenn die erste Stufe der Taxonomie bereits zum Jahresbeginn 2022 in Kraft trat, ist der Regelrahmen keineswegs bereits voll ausgestaltet. Nicht zuletzt aufgrund der Komplexität des Themas muss laufend nachjustiert werden. Hinzu kommen Grundsatzdiskussionen zur konkreten Ausgestaltung. Das Beispiel der Einordnung der friedlichen Nutzung der Atomkraft hat gezeigt, wie kontrovers dieses Regelwerk bisweilen betrachtet und diskutiert wird. So mehren sich auch kritische Stimmen, die zu viel Regulatorik sehen. Zunehmend wird die Frage nach Sinn und Unsinn der EU-Taxonomie gestellt – und dabei ist man nach wie vor erst in der hochkomplexen Konstruktionsphase für das grundlegende Regelwerk.

Für Banken und Fondsanbieter kann die eigene Positionierung beim Thema ESG erhebliche Auswirkungen haben. Diese reichen von der Etablierung einer marktführenden Stellung in dem Thema bis hin zum Vorwurf des Greenwashings und können somit erhebliche Folgen für die Reputation am Markt haben. Aufgrund der Komplexität besteht die Gefahr, sich bei dem Vorhaben zu verzetteln. Die grundlegende Frage lautet daher: Wie schaffen es die Institute und Marktteilnehmenden, gemeinsam mit dem Gesetzgeber, einen fundierten Rahmen zu schaffen, der einerseits belastbar Orientierung für alle Seiten bietet und zugleich nicht überfordert? Nur wenn wir eine Antwort auf diese Frage finden, können die ESG-Investmentkriterien auch erfolgreich implementiert und berücksichtigt werden.

 

Folgende Aspekte sind bei der Beantwortung dieser zentralen Frage besonders wichtig:

  • Wir brauchen einen regulatorischen Rahmen, jedoch keinen reinen Verbotsrahmen. Ein solcher würde Investoren verschrecken und grundsätzliche Kritik befördern.
  • Der Regelrahmen muss so ausgestaltet sein, dass er eine Vergleichbarkeit und Orientierung bietet und zugleich die Aufwände nicht ausufern lässt.
  • Die Taxonomie muss berücksichtigen, dass die europäische Wirtschaft und ihre Marktteilnehmenden im globalen Wettbewerb stehen. Insbesondere die Regelwerke in den USA und China haben auch erhebliche Auswirkungen auf uns in Europa.
  • Es handelt sich um ein transformatorischen Prozess, der nicht zu einem Zeitpunkt X vollzogen sein kann. Wir alle müssen sukzessive und stetig nachjustieren.
     

Was bedeutet das nun für die Zukunft des Themas im Finanzbereich? Auf Unternehmen und Investierende kommen noch mehr Regeln sowie Arbeit zu. So muss insbesondere die Erstellung, Verarbeitung und Aufbereitung von erheblichen Datenmengen gewährleistet werden. Die Vergleichbarkeit von Finanzprodukten für potenzielle Investierende muss sichergestellt werden. Dies gelingt aber nur, wenn bei diesem komplexen Themenfeld transparent kommuniziert und fundiert beraten wird. Nur wenn alle Marktteilnehmenden und auch die Regulatoren zusammenarbeiten, kann das übergeordnete, von der EU aufgerufene Ziel der Klimaneutralität bis 2050 auch erreicht werden.

Notwendig auf dem Weg dorthin sind insbesondere Offenheit, etwa was neue Technologien und Vorgehensweisen angeht, aber auch eine tolerante Diskussionskultur über die besten Lösungswege. Es kommt dabei auf eine jede, einen jeden an. Nur gemeinsam werden wir dieses Mammutvorhaben der Klimaneutralität bei all den übrigen anstehenden Herausforderungen auch tatsächlich erreichen. Dass sich die Anstrengungen auch im Hinblick auf künftige Generationen lohnen, sollte jedem klar sein. Packen wir es an, denn es gibt nur die eine Zukunft!

Marcus Vitt, Sprecher des Vorstands von DONNER & REUSCHEL

 

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