29.11.2023

Unternehmerin Miriam Janke über Nachhaltigkeit & Female Entrepreneurship

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Miriam Janke ist Mitgründerin des Green-Tech- Startups Trilleco und gehört zu den Forbes 30 unter 30 Europa 2023. Die gebürtige Mecklenburgerin widmet sich mit großer Leidenschaft den Themen Nachhaltigkeit und Female Entrepreneurship. Wir haben mit der Unternehmerin über diese zwei Top-Themen unserer Zeit gesprochen – und über ihre Heimat Mecklenburg-Vorpommern.

Mit 14 Jahren haben Sie bereits gebloggt und programmiert – und sind dann immer tiefer in die IT-Welt eingetaucht. Wussten Sie da schon, dass Sie Unternehmerin werden wollen?

Miriam Janke: Nein, aber ich hatte schon als Kind super viel Energie, war sehr neugierig und wollte viel ausprobieren. Schule lief für mich eher nebenbei, und ich mochte es, Dinge zu kreieren. Deshalb habe ich mich in die Bloggerszene eingelesen, meine Website mit HTML und CSS erstellt, später auch für Freundinnen und Freunde. Nach dem Abitur bin ich auf Weltreise gegangen. Dort habe ich viele digitale Nomaden kennengelernt, die ich in ihren Projekten unterstützt habe. Das selbstbestimmte Arbeiten von überall aus hat mich fasziniert, vor allem die Umsetzung von eigenen Projekten, für sich selbst und für die persönlichen Werte. Als ich dann nach Berlin gezogen bin, habe ich gespürt, dass das Abenteuer, das ich in der Welt gefunden hatte, genau das Abenteuer ist, mit dem ich mein Leben im unternehmerischen Kontext gestalten will.

Ist zu dieser Zeit das Thema Nachhaltigkeit in Ihr Leben getreten oder war das schon immer da?

Janke: Meine Heimat Mecklenburg-Vorpommern, der Norden generell, ist ja sehr grün. Auf meiner Weltreise in Indonesien war ich dann sehr schockiert, als Menschen einfach Plastik in den Fluss geworfen haben oder beim Surfen die ganze Zeit Plastik im Weg war. Das fand ich krass. Da habe ich mich gefragt: Wie kann das sein? Wow, kein Wunder, dass Nachhaltigkeit in Ihren Fokus geraten ist.

Das ist ja auch das große Thema Ihres mitgegründeten Unternehmens Trilleco.

Janke: Genau. Wir sind 2021 mit Trilleco in Finnland gestartet und später nach Deutschland weitergezogen. Angefangen haben wir mit Häfen, weil das ein Bereich war, wo wenig digitalisiert war, aber viele Güter reinkommen. Wir haben festgestellt, dass man bei Häfen unglaublich viel machen kann. Gerade beim Energieverbrauch. Das ist das Thema, auf das wir bei Trilleco stark setzen. Also, die Einführung eines Energiemanagements. Im Kern geht es darum, zu schauen, wie viel verbraucht jede Maschine und wie hoch ist der Verbrauch generell. Wenn Daten dafür fehlen, überlegen wir, wie wir diese bekommen und implementieren die dazugehörigen Sensoren. Da wir aus dem Umfeld von Internet of Things und Künstliche Intelligenz kommen, geht es bei uns vor allem um Vernetzung und Analyse. Die Daten werden zusammengeführt und anhand von Dashboards, Grafiken sowie eines Digital Twins dargestellt. So kann jeder ohne IT-Kenntnisse einfach Daten verstehen, um Potenziale zu erkennen, Kosten sowie CO2 einzusparen und die Effizienz der Prozesse zu erhöhen. Der Kern bei uns sind „Digital Twins“.

Was sind „Digital Twins“?

Janke: Wir verstehen unter „Digital Twin“, also einem „digitalen Zwilling“, eine exakte 3D-Replika von einer Maschine, einer Umgebung, einem Netzwerk oder Ähnlichem.

Wofür ist ein solcher Zwilling sinnvoll?

Janke: Mit einem „Digital Twin“ können Daten schnell visuell verstanden und bessere Entscheidungen getroffen werden. Zum Beispiel lässt sich rasch feststellen, wo Unternehmen am meisten CO2 produzieren oder Ressourcen wie Energie sparen können. Unternehmen sehen auch im Handumdrehen, warum eine Anlage nicht optimal läuft, und die Mitarbeitenden wissen innerhalb von Sekunden, was gerade passiert und was getan werden muss. Mit diesem Wissen lassen sich aber auch Regeln einführen, sodass eine Maschine bei gewissen Werten automatisch abgeschaltet wird. Beispielsweise kann eingestellt werden, dass es einen Alarm gibt, wenn bestimmte Werte von der Maschine überschritten werden. Wir verbinden all das zusätzlich mit den CO2-Messdaten, sodass konkret nachvollziehbar ist, wie viel CO2 gerade von einer bestimmten Maschine verursacht wird. Unternehmen können so direkt in die Prozesse eingreifen, in denen sehr viel CO2 entsteht. Denn wir nehmen nicht nur an, dass an dieser Stelle Einsparungen erzielt werden können, wir wissen es.

Es geht also um Daten.

Janke: Ja, genau. Oft sind die relevanten Daten allerdings in Silos und dadurch für die Mitarbeitenden nicht zugänglich. Sie liegen irgendwo in der Cloud, verursachen Kosten und keiner nutzt sie. Wir machen diese Daten mit unserer Plattform nutzbar, indem wir für die notwendige Datentransparenz sorgen. Im Anschluss können digitale Lösungen entwickelt werden, um Prozesse zu optimieren, Effizienz zu erhöhen und CO2 einzusparen. Für mich sind Daten das Herzstück von Nachhaltigkeit. Denn durch sie hat man ein Ziel. Ohne sie geht man irgendwohin.

Warum ist Datentransparenz so wichtig?

Janke: Bei Datentransparenz geht es darum, Daten zu verstehen und nutzbar zu machen. Durch dieses Wissen und Verständnis können Unternehmen Einsparpotenziale erkennen und nutzen, ohne Annahmen treffen zu müssen. Der Switch zu Datentransparenz schafft eine Entscheidungsgrundlage, wo man genau weiß, was zu tun ist, um ein Ziel zu erreichen. Datentransparenz ist ein Schlüssel für Innovation.

Daten sind auch essenziell bei Green Tech. Aber was versteht man eigentlich darunter?

Janke: Green Tech, also grüne Technologie, bezieht sich auf Technologien, Produkte und Verfahren, die entwickelt wurden, um Umweltauswirkungen zu reduzieren, Ressourcen effizienter zu nutzen und eine nachhaltigere Welt zu schaffen. Das können erneuerbare Energien, aber genauso neue Technologien oder simple Maßnahmen wie Microsoft Teams und Google Meet sein, um Team-Meetings online abzuhalten statt jede Person physisch mit dem Auto zum Meeting-Ort fahren zu lassen.

Da sind wir schnell bei Scope 1, 2 und 3, also den Kategorien, mit denen man die Emissionsquellen eines Unternehmens identifiziert.

Janke: Scope 3 würde zum Beispiel umfassen, dass die Mitarbeitenden im ganzen unternehmerischen Ökosystem mit dem Auto zur Arbeit fahren. Wird das getrackt, sieht man, dass zwei Tage Homeoffice auf jeden Fall CO2 einsparen. Das könnte man als ein Verfahren grüner Technologie beschreiben. Es muss nicht immer ein wahnsinnig revolutionäres Innovationskonzept sein. Man kann auch fragen: Wo sind wir gerade? Wie können wir CO2 einsparen? Wie können wir unsere negativen Umwelteinflüsse reduzieren? Also Green Tech als Werkzeug für CO2-Neutralität.

Bei CO2-Neutralität spielt auch die Circular Economy eine Rolle, eines Ihrer Schwerpunktthemen. Was sollten wir darüber wissen?

Janke: Circular Economy, also Kreislaufwirtschaft, bedeutet, dass wir Ressourcen effizienter nutzen, Abfall reduzieren, nachhaltiges Wirtschaften fördern. Um die Klimaneutralität in der EU bis 2050 zu erreichen, müssen Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung ineinandergreifen. Wir bei Trilleco verstehen Kreislaufwirtschaft so, dass wir das Unternehmen ins Zentrum stellen und die Daten zirkulieren. Um die Klimaziele wirklich zu schaffen, brauchen wir volle Interkonnektivität und Interoperabilität, keine abgeschotteten Abteilungen. Die Daten werden im Unternehmen kollaborativ nutzbar gemacht. Alles ist miteinander verflochten.

Bei Kreislaufwirtschaft denkt man meist an Abfall.

Janke: Ja, das stimmt. Aber man kann alles zirkulär sehen und muss im Ökosystem denken. Darum bin ich auch ein Fan von Kollaboration. Zirkularität lässt sich auch bei Daten erreichen, wenn man sich hilft, wenn man zusammenarbeitet, sodass ein Kreislauf entsteht. So ist es auch mit unserer Umwelt. Denn was wir ihr zufügen, fügt sie uns irgendwann zu. Deshalb müssen wir gut zu ihr sein, dann gibt sie das auch zurück. Alles ist ein Kreislauf, rund wie unsere Erde.

Neben Nachhaltigkeit bewegt Sie Female Entrepreneurship. Warum ist Ihnen das Thema so wichtig?

Janke: Mir ist das sehr, sehr wichtig, weil wir weibliche Vorbilder brauchen. Bei meinem Interview für Forbes 30 unter 30 kam die Vorbilder-Frage auf, und in meinem Kopf hatte ich zuerst Elon Musk, Steve Jobs und so weiter. Da dachte ich, das kann doch gar nicht sein. Es gibt doch auch die anderen 50 Prozent der Gesellschaft, und die sind genauso cool. Female Entrepreneurship ist ein wesentlicher Treiber, um weibliche Vorbilder für die neue Generation zu schaffen. Deshalb ist es mir so wichtig, Frauen zu ermutigen, Inspiration zu sein, Chancen aufzuzeigen, denn so können wir Veränderungen einleiten. Ich hoffe, dass meine Generation, die Gen Z, so einiges anders macht.

Dass Sie für 2023 auf der Forbes 30 unter 30-Liste stehen, macht ja auch Sie zu einem Vorbild. Was bedeutet Ihnen das?

Janke: Seit meinem Umzug nach Berlin im Jahr 2018 habe ich ein Zwei-Meter-Whiteboard. Dort schreibe ich alle meine konkreten Ziele auf, und da stand seit fünf Jahren Forbes 30 unter 30. Diesen Meilenstein wollte ich unbedingt erreichen. Eigentlich für DACH, jetzt ist es sogar Europa geworden. Das war ein wichtiges Zeichen für mich selbst, dass ich es geschafft habe, denn der Weg war voller Herausforderungen. Das Schöne ist aber, dass ich damit – wie Sie sagen – für andere ein Vorbild sein kann. Ich liebe es, andere zu inspirieren, ihr Funkeln zu sehen. Deswegen bin ich auch als Mentorin bei vielen Netzwerken aktiv.

Welche Tipps würden Sie als Mentorin anderen Gründerinnen mit auf den Weg geben?

Janke: Also, ich habe mehr Erfolg, je mehr ich plane. Je mehr konkrete Ziele ich mir setze, beispielsweise Umsatz von X oder Investmentsumme von X, desto mehr komme ich dorthin. Weil ich genau weiß, wohin ich gehe. Planen ist superwichtig. Sehr geholfen hat mir auch, dass ich am Anfang eine Accountability- Gruppe hatte, in der ich mich wöchentlich mit anderen aus unterschiedlichsten Bereichen ausgetauscht habe: Was ist der Status quo? Wie war die Woche? Was lief gut? Was war schwierig? Wo können die anderen vielleicht helfen? Das war sehr gut, um ein eigenes Umfeld zu formen, wo man Inspiration und Unterstützung findet. Ein tolles Netzwerk ist Key. Außerdem würde ich sagen: Kommunikation. Man sollte im Team sehr transparent sein, sodass man wöchentlich Calls hat, wo man sagt, okay, wie war die Woche? Fandest du an mir etwas doof, was ich gemacht habe? Wie kann ich das verbessern?

 

Sie leben in Berlin, aber Mecklenburg-Vorpommern ist Ihre Heimat. Was macht Mecklenburg- Vorpommern für Sie so besonders?

Janke: Familie, Natur und Platz. Familie, weil da meine Wurzeln sind, Natur, weil ich im Grünen aufgewachsen bin und Platz, weil Berlin sehr viele Impulse setzt, ich aber trotzdem nach etwa eineinhalb Monaten immer raus aus der Stadt muss, um Ruhe und Inspiration zu erhaschen. Und: MV tut gut. Gerade in Mecklenburg-Vorpommern finde ich auch, dass es wirtschaftlich noch sehr viel Potenzial gibt. Wasserstoff ist dort ja ganz groß, und in erneuerbare Technologien generell wird sehr viel investiert. Was ich in Mecklenburg-Vorpommern wirklich liebe, ist, dass die Kommunikationswege so kurz sind. Wenn man etwa sagt, dass man mit einer bestimmten Person Kontakt haben möchte, dann schreibt man innerhalb von vier Stunden mit genau dieser Person.

Ein kleines, feines Netzwerk.

Janke: Absolut, jeder kennt irgendwie jeden. Man wirft sich die Bälle einfach zu. Das ist sehr wertvoll. In großen Städten wie Hamburg und Berlin funktioniert das nicht so schnell. Außerdem gibt es sehr gute Förderprogramme und die Finanzierung wird immer weiter ausgebaut. Die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern mit unter anderem Mario Mietsch ist ein großartiger Ansprechpartner. Außerdem macht die Sparkasse (Ospa) schon seit Jahren sehr viel, genauso wie die ESB Invest unter Maximilian Block. Ich verbinde mit Mecklenburg-Vorpommern Entfaltung, Kreativität, Zeit zum Abschalten, Förderungen und Spielraum für Innovation.

Gute Bedingungen für ein zukunftsfähiges Mecklenburg-Vorpommern?

Janke: Ja, vorausgesetzt, es wird weiterhin in Bildung investiert. Auf einer Messe wurde einmal gesagt, dass Mecklenburg-Vorpommern das neue Bayern wird, weil energieintensive Branchen wie Papier und Stahl in den nächsten Jahren vom Süden in den Norden driften. Ich glaube, es wird große wirtschaftliche Veränderungen geben, wenn das durch Bildung gefördert wird. Denn das macht Bayern ja seit Jahrzehnten, sie ziehen sich ihre Leute heran. Für Mecklenburg-Vorpommern ist der Rostocker Schulleiter Gert Mengel ein schönes Beispiel, der mit Schülerinnen und Schülern immer wieder Workshops zum Thema Entrepreneurship macht. Wenn man auch auf solchen Wegen Wirtschaft fördert, dann gibt es eine krasse Innovationsvielfalt. Und genau das brauchen wir in Deutschland und in der Welt.

 

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