14.08.2017

Versetzung - Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung

Nachrichten | Recht

Der Arbeitgeber kann gemäß § 106 Satz 1 GewO einseitig Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, sofern diese Arbeitsbedingungen nicht durch einen Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung, einen anwendbaren Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Nach § 106 Satz 2 GewO gilt dies auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb.

Bisher vertrat die höchstrichterliche Rechtsprechung der Arbeitsgerichte die Auffassung, dass sich ein Arbeitnehmer nicht über eine unbillige Weisung, die nicht auch aus anderen Gründen unwirksam ist, hinwegsetzen dürfe, solange keine rechtskräftige Entscheidung vorliege, die deren Unwirksamkeit feststelle (BAG Urteil v. 22. Februar 2012 – 5 AZR 249/11). Bis zur rechtskräftigen Entscheidung müssen also Arbeitnehmer zur Vermeidung von arbeitsrechtlichen Maßnahmen, beispielsweise einer Versetzung Folge leisten – auch wenn diese auf den ersten Blick unzumutbar erscheint.

In einem aktuellen Verfahren allerdings möchte nun der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts die Auffassung vertreten, dass der Arbeitnehmer im Anwendungsbereich des § 106 GewO eine unbillige Weisung des Arbeitgebers auch dann nicht befolgen muss, wenn keine dementsprechende rechtskräftige Entscheidung der Gerichte für Arbeitssachen vorliegt. Mit diesem Begehren weicht der 10. Senat von der bisherigen Rechtsprechung des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts ab. Gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG fragt deshalb der 10. Senat, ob der 5. Senat an seiner Rechtsauffassung weiterhin festhält.
Dem liegt folgender Fall vor: Der Arbeitnehmer war bei dem Arbeitgeber seit 2011 als Immobilienkaufmann am Standort Dortmund beschäftigt. Nachdem Mitarbeiter im Jahr 2014 eine weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer abgelehnt hatten, teilte der Arbeitgeber ihm schriftlich mit, dass der Arbeitnehmer für zunächst sechs Monate am Standort Berlin eingesetzt werde, da eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit in Dortmund außerhalb dieses Teams nicht bestehe. Der Arbeitnehmer allerdings kam der Weisung des Arbeitgebers nicht nach und nahm seine Arbeit in Berlin nicht auf. Daraufhin erfolgten insgesamt zwei Abmahnungen des Arbeitgebers. Als der Arbeitnehmer sich weiterhin weigerte seine Arbeit in Berlin aufzunehmen, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos.

Der Arbeitnehmer klagte daraufhin vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung, dass er nicht verpflichtet war, der Versetzung Folge zu leisten sowie auf Entfernung der Abmahnungen aus seiner Personalakte und in einem weiteren Verfahren wendete er sich gegen die Wirksamkeit der Kündigung. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.Über die Revision des Arbeitgebers kann jedoch noch nicht entschieden werden. Der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts vertritt aber die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, dass die Bestimmungen des Arbeitsvertrags der Parteien zwar grundsätzlich eine Änderung des Arbeitsortes zuließen, die Versetzung von Dortmund nach Berlin jedoch vorliegend nicht billigem Ermessen entsprochen habe. Revisionsrechtlich sei dies nicht zu beanstanden.
Aufgrund der gegenteiligen Meinung zur bisherigen Rechtsprechung des 5. Senats, hängt die Rechtskraft des Urteils allerdings davon ab, ob der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts an seiner Auffassung weiter festhält. 

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