16.11.2021

#zusammengross in der Metropolregion Hamburg

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Durch seine langjährige Tätigkeit als CEO von Montblanc International (2004 - 2013) weiß Lutz Bethge, wie dynamisch sich Metropolregionen auf der ganzen Welt entwickeln. Als Vorsitzender des Unternehmensbeirats der Metropolregion Hamburg lenkt er in unserem magazin den Blick auf die Herausforderungen und Potenziale der norddeutschen Zusammenarbeit.

Die Metropolregion Hamburg

Zusammenarbeit über regionale Grenzen hinweg erhöht die Chancen auf Wirtschaftswachstum und Prosperität. So sind die Erkenntnisse der OECD über Metropolregionen weltweit zusammenzufassen. In unserer globalisierten Welt mag Kirchturmpolitik kurzfristige Wahlerfolge ermöglichen, langfristig sind die eigenen Ressourcen zu gering, um im nationalen und internationalen Wettbewerb der Regionen erfolgreich zu sein. Gemeinsam Kräfte bündeln, der Wettbewerb um die besten Ideen sowie gemeinsame Finanzmittel erhöhen die Chancen für Sichtbarkeit und Stärke. Um die Zukunftschancen der Metropolregion Hamburg in diesem Sinne zu verbessern, sind gemeinsame Verantwortung und gemeinsame Anstrengungen von Staat und Wirtschaft notwendig. Der Erfolg dieser Strategie ist dabei abhängig von dem Willen der Führungsebene in den Ländern, dies umzusetzen. Delegation der Entscheidung in die sogenannte „Arbeitsebene“ führt jedoch zu langwierigen Entscheidungsprozessen und zur Beschäftigung eher mit Risiken als mit Lösungen.

Gemeinsame Kooperationsplattform

Sehr früh haben die politisch Verantwortlichen in Hamburg und den umgebenden Bundesländern die Chancen und Notwendigkeit der Zusammenarbeit erkannt. Die ersten Anfänge der Kooperation reichen daher auch bis in die 1920er Jahre zurück. Heute umfasst die Metropolregion Hamburg vier Bundesländer, 17 Kreise und Landkreise und drei kreisfreie Städte. Sie erstreckt sich auf knapp 28.500 Quadratkilometern von Cuxhaven bis Wismar, von Uelzen bis Fehmarn und ist damit fast so groß wie Belgien. Die Bevölkerungszahl umfasst gut 5,4 Millionen Menschen – etwas mehr als die Einwohnerzahl von Norwegen. Und das Bruttoinlandsprodukt ist mit 221 Milliarden Euro etwa so hoch wie in Portugal oder Irland. Diese Wirtschaftskraft bestimmt über viele gute Arbeitsplätze in der Region, bezahlbare Kinderbetreuung und gut ausgebaute Infrastruktur – und ob dauerhaft Chancen für eine gute wirtschaftliche Entwicklung herrschen. Diese Wirtschaftsleistung ist Voraussetzung für Bildungs- und Ausbildungsangebote, die vielfältige Kulturlandschaft sowie den schonenden Umgang und Schutz unserer Natur und Naherholungsgebiete.

Erfolge der Metropolregion

Ein wichtiger Erfolgsfaktor, um unsere Zukunftschancen weiter zu verbessern, war die Einbindung der Wirtschaft im Jahr 2017. Seitdem sind Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, der UVNord sowie der DGB Nord vertragliche Kooperationspartner der Metropolregion. In einem Beirat setzen wir uns als Unternehmen für den Abbau von Verwaltungsgrenzen und die Sichtbarkeit der Region ein, wir sind Impulsgeber und bringen unsere Erfahrungen ein.

Die Metropolregion ist heute die zentrale Plattform, auf der länderübergreifend auf allen Ebenen von Politik, Wirtschaft und Verwaltung zusammengearbeitet wird mit dem Ziel, die internationale Wettbewerbsfähigkeit in Wirtschaft, Forschung und Kultur kontinuierlich zu steigern. Die grenzüberschreitende Kooperation hat bis heute für die Menschen und Unternehmen viele Vorteile. Offensichtlich ist dies beim Hamburger Verkehrsverbund, der Hamburg mit dem Umland verbindet. Ein Ausbau dieses Verbunds muss auch in Zukunft trotz strittiger finanzieller Fragen Priorität haben. Die Ansiedlung des Forschungsprojekts European XFEL in Schleswig-Holstein wäre ohne Kooperation mit dem Hamburger Teilchenbeschleunigungszentrum DESY nicht möglich gewesen. Der Hamburger Hafen, als größter Hafen Deutschlands, ist Ausgangspunkt für die Logistikbranche sowie Schlüssel für den Erfolg der Industrie.

Mit zahlreichen Projekten soll dazu beigetragen werden, dass Dynamik und Innovationskraft des Wirtschaftsraums steigen. Insbesondere müssen die Verwaltungsgrenzen durchlässiger werden, damit ein attraktiver Wirtschafts- und Lebensraum entsteht. Ein Beispiel ist der Ausbau der Zusammenarbeit in der Gewerbeflächenentwicklung und -vermarktung. Mit ihm soll international die Wahrnehmung als starker Wirtschaftsstandort gestärkt werden.

Mit den „Metropolitaner Awards“ wird seit 2019 auf Initiative des Unternehmensbeirats und mit Unterstützung vieler Unternehmen besonderes Engagement für die Region geehrt. Hier werden Menschen, Vereine, Stiftungen und Unternehmen ausgezeichnet, die sich täglich für das Wohl der Region einsetzen. Länderübergreifende Ideen und Taten für mehr Lebensqualität, Attraktivität für Fachkräfte und wirtschaftliche Stärke werden geehrt. Die Nominierung und Abstimmung erfolgt durch die Bevölkerung der Region und soll das Gemeinschaftsgefühl und den Stolz auf die Region stärken. Seit dem 28. Oktober 2021 können wieder unter www.metropolitaner.de Kandidaten nominiert werden.

Herausforderungen der Metropolregion

Die Metropolregion hat sich als erste deutsche Region einer Evaluation durch die OECD gestellt. Darin wird beleuchtet, wie wir im internationalen Vergleich bei der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit aufgestellt sind. Die OECD bescheinigt uns eine gute Ausgangsposition, da wir den fünftgrößten Beitrag zum Gesamt BIP aller elf Metropolregionen in Deutschland leisten und das vierthöchste Pro-Kopf-BIP erwirtschaften.

Wir profitieren von starken Clustern wie Maritimer Wirtschaft, Luftfahrt, Life Sciences und Erneuerbaren Energien. Besonders in diesem Sektor sieht die OECD einen Wettbewerbsvorteil. Dabei gibt es kein Erkenntnisproblem. In den Staatskanzleien, den Länderministerien und Senatsbereichen ist schon seit langem klar, dass Kooperation für den Erfolg der Region entscheidend ist. Es gibt eher ein Umsetzungsproblem. Die fragmentierte Entscheidungsfindung auf den verschiedenen Ebenen der Länder, der „Kirchturm-Blick“ bei der Verteilung der Ressourcen verhindert noch vielfach die erfolgreiche Umsetzung der Frage: Wo können wir den größten gemeinsamen Nutzen für die Region erzielen?

Dabei hat die OECD Empfehlungen vorgelegt, die helfen, Produktivitätspotenziale zu heben, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und einen beschleunigten Wachstumspfad einzuschlagen. Um den Erfolg unserer Region zu sichern, empfiehlt sie somit „think big!“ in größeren Kategorien zu denken, grenzüberschreitend zu planen und zu kooperieren. Ein Nordstaat ist dabei nicht unbedingt notwendig. Eine gemeinsame Governance-Struktur, die über reine Kooperation hinausgeht, würde gemeinsame Projekte und Investitionen ermöglichen und die Fragmentierung reduzieren. Dies erfordert, dass die Norddeutsche Zusammenarbeit „Chefsache“ auf Ebene der Regierungschefs wird.

Ausblick und Chancen

Die OECD sieht Anstrengungen in sechs Handlungsfeldern als vorrangig: Innovation, Bildung und Fachkräfte, Digitalisierung, Wohnraum- und Verkehrsplanung, Erneuerbare Energien sowie Kultur- und Tourismusmarketing. Aus ihren Empfehlungen wurden 100 Maßnahmen abgeleitet, die helfen sollen, unsere Rolle als Motor Norddeutschlands weiter auszubauen. Davon werden zehn Vorhaben im Rahmen einer „Zukunftsagenda“ prioritär umgesetzt. Dazu gehören: Ein Konzept für eine Innovationsagentur, die Prüfung der Machbarkeit eines Innovations- und Wissenschaftsparks für Erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff, die Entwicklung einer Innovations- und Fachkräftestrategie, die Einrichtung eines Kompetenzzentrums Mobilität, der grenzüberschreitende Umbau der ÖPNV-Tarifsysteme und die Entwicklung einer Tourismus- und Marketingstrategie für mehr internationale Sichtbarkeit.

Gerade das Thema Innovation ist für die Region in Zukunft von besonderer Bedeutung, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Eine gemeinsame Innovationsstrategie, inklusive einer gemeinsamen Clusterpolitik und Existenzgründungskultur für die Metropolregion, wird jetzt länderübergreifend angegangen. Ziel ist es, bis Herbst 2022 die Innovationsstrategie und ein Konzept für eine Innovationsagentur entwickelt zu haben.

In allen von der OECD initiierten Projekten wünsche ich mir dabei weiterhin und noch stärker die Unterstützung aller Beteiligten, da seit Veröffentlichung der Studie in 2019 doch schon viel Zeit vergangen ist.

Weitere Chancen für die Metropolregion sehe ich als Standort für Softwareentwicklung, Künstliche Intelligenz, die Etablierung eines großen internationalen Accelerators für die Start-ups der Metropolregion und in der Wandlung des Luftfahrtzentrums Norddeutschland zu „sustainable aviation“ mit CO2-neutral erzeugtem Kerosin und H2-Brennstoffzellen sowie einem Ausbau der Universitäten Hamburg und Kiel zum gemeinsamen Kompetenzzentrum Klimaforschung.

Es bieten sich vielfältige Möglichkeiten für Norddeutschland und für die Metropolregion Hamburg. Das Wichtigste ist, die Fragmentierung zu überwinden und Strukturen zu schaffen, die gemeinsame Entscheidungen und konkrete Maßnahmen zum Wohl der Region ermöglichen. Wir müssen uns trauen, den größten gemeinsamen Nutzen zu wollen, statt nur den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen. Packen wir es an, und zwar schnell, bevor wir von anderen Regionen abgehängt werden!

Die Initiative Pro Metropolregion Hamburg IMH e.V. und ihr Unternehmensbeirat

wurden im Juni 2013 mit dem Ziel gegründet, die wirtschaftliche, technologische und soziale Entwicklung der Metropolregion als gemeinsamen Wirtschafts- und Lebensraum innerhalb der staatsvertraglich festgelegten Grenzen voranzutreiben. Hier erfahren Sie mehr.