12.04.2017

Europäischer Gerichtshof zu Kopftuchverbot

Nachrichten | Recht

Neutralität ist ein berechtigtes Ziel. Der Europäische Gerichtshof hat jüngst entschieden, dass eine unternehmerische Regelung, die das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens verbietet, keine unmittelbare Diskriminierung darstelle. 

Kopftuchverbot aufgrund einer allgemeinen Betriebsregelung

Ein belgische Bewachungs- und Sicherheitsunternehmen hatte einer muslimischen Rezeptionistin die Kündigung ausgesprochen, nachdem diese ankündigte, sie werde ihr Kopftuch zukünftig auch während der Arbeit tragen. Die Mitarbeiterin reichte daraufhin eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht ein. Der Fall wurde zuletzt vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt, der zu Gunsten des Arbeitgebers entschied. In dem Unternehmen war nämlich das Tragen sichtbarer religiöser, politischer und philosophischer Zeichen aufgrund einer allgemeinen Betriebsregelung verboten.  

Aufgrund der Tatsache, dass die betriebsinterne Regelung für alle Mitarbeiter des Unternehmens gleichermaßen gilt, liegt keine unmittelbare Diskriminierung vor – mangels Ungleichbehandlung kann keine unmittelbare Diskriminierung eines einzelnen Mitarbeiters vorliegen, so der Europäische Gerichtshof.  Unter Umständen könne jedoch eine mittelbare Diskriminierung vorliegen, wenn eine Regelung nur anscheinend neutral sei, tatsächlich aber dazu führe, dass Personen bestimmter Religionsgruppen oder mit bestimmter Weltanschauung in besonderer Weise benachteiligt werden. Im hiesigen Fall verfolge aber das belgische Unternehmen ein berechtigtes Ziel, nämlich den Wunsch nach Neutralität gegenüber den Kunden.

Kopftuchverbot wegen einer Kundenbeschwerde

In einem anders gelagerten Fall bejahte der Europäische Gerichtshof die unmittelbare Diskriminierung einer Mitarbeiterin wegen der Religion oder Weltanschauung, die nicht gerechtfertigt sei. Einer muslimischen Projektingenieurin eines französischen IT-Beratungsunternehmens wurde gekündigt, nachdem sich ein Kunde über das Tragen ihres Kopftuchs beschwert hat und sich die Mitarbeiterin weigerte, dieses abzunehmen.Der Europäische Gerichtshof führte hierzu aus, dass Ungleichbehandlungen von Mitarbeitern gerechtfertigt sein können, soweit „aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübungen wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen“ bestehen. So auch die Richtlinie 2000/78 über Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf.Der Kundenwunsch allein stelle jedoch keine Berufsanforderung dar. Dies könne nur der Fall sein, sofern die Anforderungen objektiv von der Art der Tätigkeit oder den Bedingungen ihrer Ausübung vorgegeben seien. Daher müssen die Anforderungen an die tatsächliche Berufsausübung anknüpfen. Dies war vorliegend nicht gegeben. Zudem sei nicht klar, dass das Tragen eines Kopftuchs gegen unternehmerische Regeln verstoße. 

Was bedeutet dieses Urteil für deutsche Unternehmen?

Hier zulande gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), mit dem unter anderem die vorbenannte EU-Richtlinie 2008/78 in deutsches Recht umgesetzt wurde. Danach sind Diskriminierungen wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, der Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität untersagt. 

Kopftuchverbote in der Privatwirtschaft sind daher immer noch ein heikles Thema. Das Urteil der Luxemburger Richter dient zur Orientierung und schafft insofern Klarheit, dass Neutralität gegenüber Kunden ein berechtigtes Ziel ist, welches in eine einheitliche Unternehmensregelung umgesetzt werden kann. Es muss allerdings darauf geachtet werden, dass diese Regelung alle sichtbaren Zeichen politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugungen umfasse und unterschiedslos für jede Bekundung solcher Überzeugungen gelte. Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, ist dieser bei der Aufstellung der innerbetrieblichen Regelung mit einzubeziehen.

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