24.04.2024

Gelockerte Auslegung des Datenschutzrechtes in Kündigungsschutzverfahren

Nachrichten | CB Artikel

Aus Sicht eines Arbeitgebers ist es nicht immer einfach, die Risiken eines Kündigungsschutzverfahrens richtig einzuschätzen. Gerade bei der Frage der Verhältnismäßigkeit kann es zu Überraschungen kommen – der Spielraum der Gerichte ist hier weit.

Umso unverständlicher muss es für ein Unternehmen aus Niedersachsen gewirkt haben, dass es eine Videoaufzeichnung nicht verwerten durfte, anhand der nachgewiesen werden konnte, dass ein Mitarbeiter noch vor Schichtbeginn das Betriebsgelände verlassen hatte. Dennoch hatte er sich zuvor als arbeitend eingestempelt und somit einen Arbeitszeitbetrug begangen. Obwohl auf die Videokamera am Tor zum Werksgelände ausreichend deutlich hingewiesen wurde, scheiterte eine Verwertung der Aufzeichnung nach Auffassung des Landesarbeitsgerichtes Niedersachen (Urteil vom 6. Juli 2022, Az.: 8 Sa 1149/20) und der Vorinstanz an der unrechtmäßig langen Speicherung des Bildmaterials. Das Bundesarbeitsgericht hat das in einer Entscheidung (Urteil vom 29. Juni 2023, 2 AZR 296/22) nun aber geradegezogen. Es sei in diesem Fall nicht erheblich, ob die Überwachung in jeder Hinsicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes bzw. der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entspräche. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Datenerhebung offen erfolgt sei und ein vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers angenommen werden könne. Mit dieser Entscheidung wendet sich das Bundesarbeitsgericht mithin gegen eine ganze Reihe älterer Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte, die in diesem Zusammenhang das Datenschutzrecht noch weitaus strenger ausgelegt hatten. Mit der Folge, dass Mitarbeitende in Kündigungsschutzverfahren obsiegten, obschon der arbeitsrechtliche Verstoß mehr als offensichtlich war.

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